Was passiert, wenn Ihr Unternehmen die Monatsfrist für eine DSGVO-Auskunft versäumt? Führt die reine Verspätung automatisch zu einem Schadensersatzanspruch? Das Amtsgericht (AG) Nürnberg hat in einem Urteil, das für viele Unternehmen eine Erleichterung sein dürfte, entschieden: Nein. Eine verspätete Auskunft allein begründet noch keinen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO (AG Nürnberg, Urt. v. 06.05.2025 – Az.: 15 C 8539/24).
Der Fall: Auskunft kam erst nach Einreichung der Klage
Eine Kundin schloss nach einem Werbeschreiben einen DSL-Vertrag ab, den sie später widerrief. Sie fühlte sich getäuscht und verlangte vom Anbieter eine Auskunft über ihre gespeicherten Daten gemäß Art. 15 DSGVO. Das Unternehmen reagierte auf diese außergerichtliche Anfrage nicht. Erst als die Kundin Klage einreichte, um die Auskunft zu erzwingen, lieferte der Anbieter die geforderten Informationen. Für die entstandene Verzögerung forderte die Klägerin daraufhin Schadensersatz.
Die Entscheidung des Gerichts: Verspätung ist nicht gleich rechtswidrige Verarbeitung
Das AG Nürnberg wies den Schadensersatzanspruch zurück. Die Richter trafen eine entscheidende juristische Unterscheidung, die für die Praxis von enormer Bedeutung ist:
- Anerkennung des Verstoßes: Das Gericht stellte klar, dass die Auskunft tatsächlich verspätet und damit die Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO verletzt wurde.
- Keine Grundlage für Schadensersatz (Art. 82 DSGVO): Ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO setzt jedoch voraus, dass eine Person wegen einer gegen die DSGVO verstoßenden Verarbeitung einen Schaden erlitten hat. Die reine Verletzung der Auskunftspflicht ist laut dem Gericht aber keine „rechtswidrige Verarbeitung“ der Daten an sich.
- Fehlender Vortrag: Die Klägerin hatte nicht dargelegt, dass ihre Daten selbst rechtswidrig verarbeitet wurden (z.B. ohne Rechtsgrundlage oder für unzulässige Zwecke). Ihr Anspruch bezog sich ausschließlich auf die verspätete Antwort. Dies reichte dem Gericht nicht aus, um einen Schadensersatz zuzusprechen.
Implikationen für Unternehmen: Ein Freibrief für Verspätungen?
- Kein automatischer Schadensersatz: Dieses Urteil ist eine gute Nachricht für Unternehmen. Es senkt das Risiko, dass jede geringfügige Fristüberschreitung bei einer Auskunftsanfrage sofort zu einer Schadensersatzklage führt.
- Aber: Kein Freibrief! Die Entscheidung bedeutet nicht, dass Fristen ignoriert werden können. Die Pflicht zur unverzüglichen, spätestens aber monatlichen Auskunftserteilung bleibt bestehen. Ein Verstoß kann weiterhin zu aufsichtsrechtlichen Verfahren und Bußgeldern führen.
- Prozesskostenrisiko bleibt: Wie der Fall zeigt, kann eine verspätete Auskunft den Betroffenen dazu veranlassen, Klage auf Erteilung der Auskunft zu erheben. Die Kosten dieses Verfahrens muss das Unternehmen in der Regel tragen. Eine pünktliche Antwort ist also immer die kostengünstigste Variante.
- Unterschiedliche Gerichtsmeinungen: Es handelt sich um ein erstinstanzliches Urteil eines Amtsgerichts. Andere Gerichte, insbesondere höhere Instanzen, könnten dies in Zukunft anders bewerten.
FAQ: DSGVO-Auskunft & Fristen – Was Sie wissen müssen
- Bekommt man jetzt nie Schadensersatz bei einer verspäteten Auskunft?
Nicht automatisch. Nach dieser Rechtsauffassung müsste ein Kläger darlegen, dass ihm durch die Verspätung ein konkreter, zusätzlicher Schaden entstanden ist oder dass die zugrundeliegende Datenverarbeitung an sich rechtswidrig war. - Wie schnell muss ich auf eine DSGVO-Auskunft reagieren?
Die Antwort muss „unverzüglich“, spätestens jedoch innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags erfolgen. In komplexen Fällen kann die Frist um weitere zwei Monate verlängert werden, worüber der Antragsteller aber informiert werden muss. - Was passiert, wenn ich die Frist verpasse?
Sie riskieren ein Verfahren bei der zuständigen Datenschutzbehörde, was zu Anordnungen oder Bußgeldern führen kann. Außerdem kann der Betroffene, wie hier geschehen, auf Erteilung der Auskunft klagen, was Prozesskosten verursacht. - Was ist der Unterschied zwischen einer Verletzung der Auskunftspflicht und einer rechtswidrigen Datenverarbeitung?
Die Verletzung der Auskunftspflicht ist ein prozessualer Fehler im Umgang mit Betroffenenrechten. Eine rechtswidrige Datenverarbeitung ist ein materieller Verstoß, z.B. die Verarbeitung von Daten ohne Rechtsgrundlage, für einen falschen Zweck oder nach einem Widerruf. - Wie organisiere ich meine Auskunftsprozesse effizient und rechtssicher?
Ein klar definierter Prozess ist entscheidend. Die Experten von sofortdatenschutz.de helfen Ihnen, Ihre Abläufe zur Bearbeitung von Betroffenenanfragen DSGVO-konform zu gestalten. Kontaktieren Sie uns unter sofortdatenschutz.de/kontakt/.
Fazit: Pünktlichkeit zahlt sich aus, aber Panik bei kleiner Verspätung ist unangebracht
Das Nürnberger Urteil bringt eine willkommene Differenzierung in die Diskussion um DSGVO-Schadensersatz. Es stellt klar, dass nicht jeder formale Fehler automatisch zu finanziellen Forderungen führt. Dennoch sollten Unternehmen dies nicht als Einladung zur Nachlässigkeit verstehen. Eine fristgerechte und vollständige Beantwortung von Auskunftsersuchen ist und bleibt die beste Strategie, um teure Gerichtsverfahren, behördliche Maßnahmen und den Vertrauensverlust von Kunden zu vermeiden.



