Dürfen Tech-Konzerne wie Meta öffentliche Nutzerprofile von Facebook und Instagram für das Training ihrer Künstlichen Intelligenz (KI) nutzen? In einem vielbeachteten Eilverfahren hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln diese Frage vorläufig bejaht und einen Antrag der Verbraucherzentrale NRW abgewiesen. Das Urteil vom 23. Mai 2025 (Az. 15 UKl 2/25) setzt ein wichtiges, wenn auch vorläufiges, Signal für die gesamte Tech-Branche.
Verbraucherzentrale vs. Meta: Streit um KI-Training und Nutzerdaten
Nachdem Meta im April 2025 ankündigte, ab Ende Mai öffentliche Nutzerdaten für KI-Trainingszwecke zu verwenden, zog die Verbraucherzentrale NRW vor Gericht. Sie wollte per Eilverfahren verhindern, dass Daten von Nutzern, die keinen Widerspruch eingelegt haben, verarbeitet werden. Betroffen sind alle öffentlich einsehbaren Informationen auf Plattformen wie Facebook und Instagram.
OLG Köln im Eilverfahren: Metas „berechtigtes Interesse“ überwiegt
Das Gericht lehnte den Antrag ab. Nach vorläufiger Prüfung liegt weder ein Verstoß gegen die DSGVO noch gegen den Digital Markets Act (DMA) vor. Die Kernargumentation stützt sich auf das „berechtigte Interesse“ von Meta gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO.
Die Richter begründeten ihre Entscheidung wie folgt:
- Legitimer Zweck: Die Entwicklung und das Training von KI-Systemen sei ein legitimer Zweck.
- Erforderlichkeit: Große, nicht vollständig anonymisierbare Datenmengen seien für das Training notwendig; weniger einschneidende, aber gleich wirksame Mittel gäbe es nicht.
- Interessenabwägung: Die Interessen von Meta an der Datenverarbeitung überwiegen in diesem Fall die Interessen der Nutzer.
- Abmildernde Maßnahmen: Meta habe wirkungsvolle Maßnahmen ergriffen, um den Eingriff in die Rechte der Nutzer abzumildern. Dazu gehören:
- Es werden ausschließlich öffentlich gestellte Daten verarbeitet, die auch von Suchmaschinen gefunden werden könnten.
- Die Nutzer wurden informiert und haben eine einfache Möglichkeit zum Widerspruch oder können ihre Profile auf „nicht-öffentlich“ umstellen.
- Es werden keine direkten Identifikatoren wie Namen oder E-Mail-Adressen verwendet.
Diese Einschätzung deckt sich mit der Bewertung der zuständigen irischen Datenschutzbehörde und auch der des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten.
Datennutzung für KI: Die Implikationen für Unternehmen
- „Berechtigtes Interesse“ als Rechtsgrundlage für KI: Das Urteil stärkt die Position von Unternehmen, die KI-Training auf Basis des berechtigten Interesses (Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO) durchführen wollen. Dies ist jedoch kein Freifahrtschein.
- Transparenz und Widerspruchsrecht sind entscheidend: Die Entscheidung des OLG hängt maßgeblich davon ab, dass Meta die Nutzer informiert und ihnen eine einfache Opt-out-Möglichkeit bietet. Dies ist die zentrale Lektion für alle Unternehmen: Proaktive Transparenz und Nutzerkontrolle sind der Schlüssel.
- Öffentliche Daten sind nicht vogelfrei, aber nutzbar: Das Urteil schafft mehr Klarheit darüber, wie Daten, die Nutzer selbst öffentlich gemacht haben, verwendet werden dürfen. Der Grad der Öffentlichkeit spielt eine entscheidende Rolle in der Interessenabwägung.
- Vorläufigkeit des Urteils: Es ist entscheidend zu verstehen, dass dies ein Eilverfahren war. In einem Hauptsacheverfahren, mit einer tiefergehenden Prüfung, könnte das Urteil anders ausfallen.
FAQ: KI-Training & DSGVO – Was Unternehmen wissen müssen
- Was genau ist ein „berechtigtes Interesse“ nach der DSGVO?
Es ist ein Interesse des Unternehmens (z.B. Produktentwicklung, Sicherheit), das nicht gegen die Grundrechte und Freiheiten der betroffenen Person verstößt. Es erfordert immer eine sorgfältige Abwägung. - Darf jetzt jedes Unternehmen öffentliche Social-Media-Daten für KI nutzen?
Nein. Das Urteil ist spezifisch für den Fall Meta. Jedes Unternehmen muss eine eigene Interessenabwägung durchführen und mildernde Maßnahmen wie Transparenz und Widerspruchsrechte implementieren. - Was ist der Unterschied zwischen einem Eilverfahren und einem Hauptsacheverfahren?
Ein Eilverfahren dient einer schnellen, vorläufigen Entscheidung. Ein Hauptsacheverfahren beinhaltet eine vollständige Beweisaufnahme und führt zu einem endgültigen Urteil in der jeweiligen Instanz. - Welche Schritte sollte mein Unternehmen unternehmen, bevor es Daten für KI nutzt?
Führen Sie eine Datenschutz-Folgenabschätzung (DSFA) durch, dokumentieren Sie Ihre Interessenabwägung, schaffen Sie transparente Informationen und einfache Opt-out-Möglichkeiten für Nutzer.
Fazit: Wichtiger Etappensieg für Meta mit klaren Spielregeln für die Branche
Das Urteil des OLG Köln ist ein bedeutendes Signal. Es zeigt, dass die Nutzung öffentlicher Daten für KI-Training unter der DSGVO möglich ist, aber nur unter strengen Auflagen. Transparenz gegenüber den Nutzern und die Gewährung von Kontrolle sind nicht nur gute Praxis, sondern juristisch entscheidend für die Rechtfertigung über das berechtigte Interesse.